Angeschrien, herabgewürdigt, ignoriert: Wenn Chefs Mitarbeiter mobben, spricht man von Bossing. Wer sich nicht rechtzeitig Hilfe holt, dem droht der psychische Kollaps. Rechtlich ist das Thema Mobbing kaum zu greifen. Im Zweifel bleibt nur eine radikale Maßnahme.
Eineinhalb Jahre Terror. So beschreibt ein Angestellter die Zeit, in der er von seiner neuen Chefin gemobbt wurde. Sie wollte, dass er eine Kollegin ausbootet. Er weigerte sich.
Dann gingen die Schikanen los. Unter anderem durfte er plötzlich keine Briefe mehr selbstständig unterschreiben, musste immer mehr Aufgaben weit unter seinen Fähigkeiten erledigen. Mal musste er 200 Adressen von Hand übertragen – absurd angesichts der Tatsache, dass so etwas bislang eine Schreibkraft erledigt hatte.
“Sie wollte mich platt machen”, sagt der frühere Angestellte rückblickend. “Ich hatte keine Überlebenschance in der Firma, in der ich damals gearbeitet habe.” Zunächst versuchte er, im direkten Gespräch mit der mobbenden Chefin eine Lösung zu finden – vergeblich.
Auch das Personalbüro konnte nicht helfen. Kollegen duckten sich aus Angst um ihre Position weg.
Jeder Vierte wurde bereits vom Vorgesetzten gemobbt
Das ist beileibe kein Einzelfall. Je nach Studie haben bis zu einem Viertel aller Arbeitnehmer bereits erlebt, wie es ist, am Arbeitsplatz fortlaufend schikaniert, übergangen oder ignoriert zu werden.
Schon 2002 veröffentlichte die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin einen Mobbing-Report. Diesem Bericht zufolge geht in etwas mehr als der Hälfte der Fälle die Schikane vom Boss aus oder wird zumindest von ihm toleriert – oft ist daher von Bossing die Rede, wenn es speziell um Mobbing durch den Chef geht.
Es geht dabei nicht um einmalige Ereignisse wie einen Rüffel in einer Konferenz, sondern um immer wieder neue seelische Verletzungen.
(Laut klassischer Definition ereignen sich die Kränkungen mindestens einmal in der Woche und mindestens ein halbes Jahr lang, erläutert die Diplom-Psychologin Bärbel Wardetzki aus München)
Schwere Folge für Arbeitnehmer
Anfangs fühlt der Mitarbeiter sich vielleicht nur in die Ecke gedrängt. Dann verliert er sein Selbstwertgefühl, Arbeitsqualität und -motivation leiden. Im Laufe der Zeit kommen dazu womöglich Kopf- und Nackenschmerzen, Schlafstörungen und schlimmstenfalls Depressionen oder Angststörungen. “Wichtig ist, dass der Betroffene registriert: Hier läuft etwas Entwerten-des”, sagt Wardetzki.
Das können Betroffene gegen Mobbing tun
Geht es um Hilfe, sind der Betriebsrat oder das Personalbüro aus Sicht der Experten nicht immer hilfreiche Adressen. Betroffene sollten es lieber außerhalb des Unternehmens versuchen: bei einer Mobbingopfer-Hotline, bei einem Coach, bei einer Gewerkschaft, einem Arzt, Psychotherapeuten oder einer Selbsthilfegruppe. Das ändert unterm Strich zwar nicht die berufliche Situation. Aber es trage dazu bei, nicht im passiven Leid zu bleiben, sagt die Psychologin.
“Oft halten die Leute zu lange aus, sie versuchen, sich anzupassen, und haben kein Mut, wegzugehen”, sagt sie. Betroffene raten zudem, dem mobbenden Chef gegenüber keinerlei Emotionen zu zeigen, weil dieser sich sonst als Gewinner fühle. Besser lässt man sich krankschreiben, erholt sich, gewinnt Abstand und denkt in Ruhe nach. Ist eine Versetzung möglich? Oder bietet sich doch ein Jobwechsel an?
Viele Bossing-Opfer wenden sich in ihrer Not auch an Anwälte. Rechtlich ist das Thema allerdings kaum greifbar. “Es ist eine Vorgehensweise, die gezielt einen Menschen treffen, kränken, oder in seiner Persönlichkeit herabwürdigen soll”, sagt Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht in Köln.
Es gebe unterschiedliche Wahrnehmungen, was als Kränkung empfunden wird. Darum sei es vor Gericht extrem schwierig bis unmöglich nachzuweisen, dass psychische Beeinträchtigungen tatsächlich auf dem Verhalten eines Vorgesetzten beruhen.
Oberthür rät daher in der Regel von einer Klage vor dem Arbeitsgericht ab. Sie bespricht mit ihren Mandanten vielmehr, ob das Arbeitsverhältnis noch zu retten ist oder ob sich die Situation mit einem Aufhebungsvertrag oder einer Abfindung klären lässt.
Manche sind psychisch robust genug, um sich von Vorgesetzten nicht in Angststarre versetzen zu lassen. Am Ende sind manche mit einer Abfindung gegangen und machen sich beispielsweise selbstständig.
Mobbing-Experte Christian Stock ist in seinem Buch “Mobbing” den Gründen für die Schikanen im Job auf die Spur gekommen. Die fiesen Psychospiele können demnach ein Ventil für Frustration und Unzufriedenheit mit der eigenen Lebenssituation darstellen:
Schikanen aus:
- Frust: Der Mobber lässt in dem Fall seinen Frust am Kollegen aus.
- Rache: Manch nachtragender Mensch tyrannisiere die Kollegen auch, um sich für Niederlagen im Job zu rächen, schreibt Stock. Auf diese Weise versuche der Mobber, sein Scheitern zu kompensieren.
- Motivation, den Abweichler anzupassen: Abweichler können leicht zum Opfer werden: Laut dem Experten wird unter anderem gemobbt, um einen Kollegen an eine bestehende Gruppennorm anzupassen.
- Antipathie: Manchmal gibt es Stock zufolge auch eine ganz simple Erklärung für die Repressionen am Arbeitsplatz: Die Mobber können ihr Opfer einfach nicht leiden.
Berlin (dpa/tmn) – Es gibt Büros oder berufliche Teams, in denen geht es überwiegend friedlich zu – und in anderen fliegen in schöner Regelmäßigkeit die Fetzen. Zu weit geht es, wenn ein Kollege sich auf Kosten der anderen profiliert oder durchsetzt.
“Zum Beispiel schnappt er sich beim Urlaub immer die Brückentage oder schreibt sich Arbeiten auf seine Fahnen, während er den Anteil des Teams verschweigt”, sagt Martin Wehrle, Karriereberater und Autor des Ratgebers “Der Klügere denkt nach”.
Die gute Nachricht ist: “Nervige Kollegen kann man in der Regel stoppen”, sagt der Diplom-Psychologe Jörg Berger, der ein Buch über “Stachelige Persönlichkeiten” geschrieben hat. “Dazu muss man sich über die Höflichkeitsregeln hinwegsetzen und jemanden einfach unterbrechen, wenn er unaufhörlich redet.” Nervige Kollegen gehen dann nicht in die Eskalation, sondern lassen sich korrigieren, sagt er.
Anders sieht das bei echten Querulanten aus: “Sie fahren erst richtig hoch, wenn man ihnen eine Grenze setzt und kämpfen zäh darum, dass ihr Fehlverhalten von anderen toleriert wird.”
Wehrle rät, Quertreiber zur Rede zu stellen, “nach Möglichkeit nicht allein, sondern mit anderen Teammitgliedern”. Der Gruppendruck und das Gespräch darüber, wie die ungeschriebenen Regeln der Zusammenarbeit aussehen, können sie wieder auf Kurs bringen.
Schwieriger wird es, wenn Kollegen lästern, mobben, Ideen klauen, die Stimmung verpesten, absichtlich gegen andere arbeiten und sich vor Aufgaben drücken. Der Managementberater Johannes Thönneßen rät, solche Querulanten möglichst neutral anzusprechen und zu sagen, was man beobachtet hat: “Der andere sollte verstehen, wo das Problem liegt und warum mich das ärgert, stört, irritiert, frustriert oder enttäuscht.” Oft wird ein schwieriger Kollege durch eine solche Ansprache überrascht – und ist wider Erwarten zum Gespräch bereit. “Wer das Gespräch wirklich sucht, wird oft Erfolg damit haben.”
Psychologe Berger rät, den wunden Punkt von schwierigen Kollegen herauszufinden: “Wer sich zum Beispiel drückt, hat meist eine Angst vor Überforderung. Wer lästert oder stänkert, reagiert damit meistens auf eine Situation, die er als ungerecht empfindet.” Manchmal genüge eine kleine Unterstützung, und die schwierigen Verhaltensweisen hören erst einmal auf. “Ängstlichen Kollegen kann man Verantwortung in kleinen Portionen übertragen”, sagt Berger. Denjenigen, die sensibel auf Ungerechtigkeit reagieren, sollte man viel Transparenz und Mitbestimmung einräumen.
Wenn jemand hingegen vorsätzlich mobbt, ist es nach Wehrles Worten ganz wichtig, dass sich die Gruppe und der Chef hinter das Opfer stellen. “Der Mobber muss merken: Nicht das Opfer büßt seinen Ruf ein, sondern er selbst.” Auch Wehrle plädiert für die direkte Ansprache, die das Problem häufig aus dem Weg räume: “Wenn jemand schlampig arbeitet, ist es die beste Methode, seine Fehler nicht auszubügeln, sondern sie zurück auf seinen Schreibtisch oder seine Werkbank zu delegieren – so lange, bis die Qualität stimmt.”
Besonders schwierig ist es mit Kollegen, die sich in einem Unternehmen unkündbar fühlen oder es tatsächlich sind – etwa, weil sie als Beamte in einer Behörde arbeiten. Laut Wehrle hilft auch in diesem Fall sozialer Druck: “Man muss dem Kollegen deutlich machen, dass er als Teil der Gemeinschaft auch Pflichten hat – und dass er, wenn er die nicht erfüllt, unten durch ist.” Der Weg hin zu Konsequenzen ist zwar aufreibend: Gespräche und Maßnahmen müssen rechtssicher dokumentiert werden. “Aber diese Mühe ist trotzdem besser als jahrelange „Nervereien“ und Produktivitätsverluste.”
Es gibt da aber noch etwas, das man nicht sofort als Mobbing, Schikane oder Behinderung erkennt, was aber doch – zumindest für manche anderen auch außerhalb der Büroräume selbst – deutlich sichtbar sein kann. Und das ist: Arbeitsort und Arbeitsorganisation sowie deren Aufbau.
Hier sind einige Beispiele aufgezeigt, an denen deutlich erkennbar ist, wie der Wert dieses Mitarbeiters bei den Verantwortlichen herabgewürdigt ist.
Es sind Aufnahmen aus unserer alltäglichen Arbeitspraxis:
An solchen Arbeitsplätzen will man nicht wirklich arbeiten, muss es zuweilen aber, weil ein Platzbedarf zu oft keine andere Lösung zulässt.
Auch hier ist die Frage: Was tun, wenn jemand an die Schränke will/muss? Ein Arbeitnehmer zumindest ist oder wird gestört.
Der Vorgesetzte hat Dinge über einen Mitarbeiter behauptet, die nicht stimmen? Kollegen verbreiten Unwahrheiten? Üble Nachrede am Arbeitsplatz kann ernsthafte Konsequenzen für die Täter haben. Wie sieht es dann in Sachen Rechtslage und Strafe aus?
Was bedeutet üble Nachrede genau?
Geistiger Diebstahl, Unterschlagung von Informationen oder Lästern unter Kollegen – Mitarbeiter mit zwei Gesichtern sind nicht selten am Arbeitsplatz anzutreffen. Aber welche Art der Schikane fällt unter üble Nachrede, die sogar strafbar ist?
Üble Nachrede ist in Deutschland eine Straftat, die durch § 186 im Strafgesetzbuch (StGB) definiert ist. Eine Person macht sich demnach strafbar, wenn sie “in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist”. Laut StGB drohen sowohl Geldstrafen als auch Freiheitsentzug bis zu einem Jahr.
Liegt eine besonders schwere Tat zugrunde, die “öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist”, kann es sogar zu einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren kommen.
Üble Nachrede: Abgrenzung zum harmlosen Gerücht
Anders als ein Gerücht wiegt üble Nachrede deutlich schwerer und hat negative Konsequenzen für das Opfer. Im Beruf könnte das Opfer von übler Nachrede beispielsweise durch eine verbreitete Unwahrheit eine Beförderung verwehrt bekommen. Zum Beispiel dann, wenn Kollegen dem Chef erzählen, dass das Opfer schlecht arbeite.
Sollten Sie Opfer von übler Nachrede werden, können Sie dagegen vorgehen, indem Sie sich an Vorgesetzte oder den Betriebsrat wenden. Zunächst sollten Sie jedoch auf die Täter zugehen und Ihnen ihr Fehlverhalten aufzeigen. Oftmals wissen Kollegen gar nicht, was sie mit verbreiteten Unwahrheiten anrichten können.
Schwierig wird das Gespräch, wenn sich der Kollege mit Ausreden wie “So war das gar nicht gemeint, das wurde falsch verstanden” aus der Situation winden will. Suchen Sie sich in einer solchen Situation am besten Verbündete, die Ihr korrektes Arbeitsverhalten im Notfall bestätigen können. Auf keinen Fall sollten Sie jedoch versuchen, es dem Mitarbeiter heimzuzahlen. Damit wenden Sie unnötige Energie auf und könnten sich selbst noch weiter schaden.
Soziale Netzwerke: Üble Nachrede ist auch im Internet strafbar
Wer einen Groll gegen Mitarbeiter oder Vorgesetzte hegt, sollte lieber nicht im Internet darüber Dampf ablassen. Ehrenrührige Behauptungen sind auch hier strafbar. Sie müssen im Zweifelsfall beweisen können, dass Ihre Behauptungen stimmen. Ansonsten gilt auch hier der Straftatbestand der üblen Nachrede und bei wissentlich falschen Behauptungen sogar Verleumdung.
Denn wer die Rechte anderer verletzt, dem steht auch nicht mehr das Recht der Meinungsfreiheit zu. Seien Sie daher auch vorsichtig, welche Äußerungen Sie in sozialen Netzwerken veröffentlichen, da Sie die Verbreitung dieser Aussagen nicht mehr rückgängig machen können.
(Quelle: t-online-Redaktion)